Die Fußballwelt steht Kopf – zumindest, wenn es um die Frage der Kostenübernahme für Polizeieinsätze bei sogenannten Hochrisikospielen geht. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Bundesländer dürfen Fußballclubs für Polizeieinsätze zur Kasse bitten. Ein Urteil, das nicht nur rechtliche Klarheit schafft, sondern auch eine hitzige Debatte unter den Clubs und Fanorganisationen entfacht. Die Reaktionen reichen von Respekt über Enttäuschung bis hin zu scharfer Kritik.
VfL Bochum: Sicherheit ist Staatsaufgabe
Der VfL Bochum zeigte sich kritisch gegenüber der neuen Regelung. Für den Verein ist klar, dass Sicherheit in und um die Stadien eine staatliche Aufgabe bleibt. „Die Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit nach Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten ist Kernaufgabe der Polizei und wird aus Steuermitteln finanziert“, so die Stellungnahme. Der VfL betont zudem die erheblichen eigenen Investitionen in Präventionsarbeit, die dazu beitragen sollen, Polizeieinsätze zu reduzieren.
Diese Sichtweise spiegelt eine verbreitete Haltung unter den Vereinen wider: Fußball sei nur einer von vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, in dem Großveranstaltungen stattfinden, und müsse daher nicht anders behandelt werden als Karneval oder Oktoberfest.
Unsere Kurve e.V.: Staatliche Sicherheit als Dienstleistung?
Für die Interessenvertretung Unsere Kurve ist das Urteil ein Weckruf – allerdings kein positiver. „Polizeiarbeit verkommt zur Dienstleistung“, warnt der Vorsitzende Jost Peter. Man befürchtet eine gefährliche Aushöhlung der staatlichen Sicherheitsarchitektur. Gleichzeitig fordert man eine Gleichbehandlung aller Großveranstaltungen. „Wenn Fußballclubs zahlen müssen, dann auch die Veranstalter von Volksfesten und Silvesterfeiern“, fordert Sprecher Thomas Kessen.
Die Organisation verweist auf die Milliardenbeiträge, die der Profifußball bereits jährlich durch Steuern und Wertschöpfung an die öffentliche Hand leistet. Die Forderung nach einer stärkeren Einbindung von Fanorganisationen in die Sicherheitsplanung ist ebenfalls ein zentraler Punkt.
DFL: Das Urteil schafft Klarheit, aber keine Fairness
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) sieht das Urteil mit gemischten Gefühlen. Zwar begrüßt man die rechtliche Klärung nach einem zehnjährigen Rechtsstreit, doch kritisiert die DFL die daraus resultierende finanzielle Belastung für die Clubs. Besonders für kleinere Vereine könnten die Kosten erhebliche Konsequenzen haben.
In ihrer Stellungnahme verweist die DFL auf bereits bestehende Investitionen in Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen. Allein in der Saison 2022/23 hätten die Clubs 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben gezahlt. Die DFL fordert nun, die Kriterien für Hochrisikospiele zu überarbeiten und die Kosten fairer zu verteilen.
Werder Bremen: Standortnachteile durch Kostenlawine
Für den SV Werder Bremen, der in Bremen seit 2015 mit den Gebühren belastet wird, ist das Urteil ein schwerer Schlag. „Das heutige Urteil bringt uns einen erheblichen Standort- und Wettbewerbsnachteil“, beklagt Geschäftsführer Tarek Brauer.
Die Belastung sei für einen Club wie Werder kaum tragbar, da Bremen als einziges Bundesland die Polizeikosten weiterreicht. Besonders pikant: Brauer fordert, dass auch Gastvereine und die DFL an den Kosten beteiligt werden – schließlich tragen auch deren Fans zur Einsatzbelastung bei.
HSV: Eine bundesweit einheitliche Regelung muss her
Auch der Hamburger SV äußert sich kritisch, wenn auch konstruktiv. „Wir respektieren das Urteil, sehen es aber mit Irritation, da es die staatliche Sicherheitsarchitektur infrage stellt“, so Vorstand Eric Huwer. Der HSV plädiert für eine bundesweit einheitliche Regelung, um Wettbewerbsnachteile zu verhindern.
Für den Club steht fest: Die Sicherheit der Zuschauer hat höchste Priorität. Jedoch könne diese nur durch ein faires und transparentes Kostenmodell gewährleistet werden.
Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bringt nicht nur rechtliche Klarheit, sondern auch neue Herausforderungen für Vereine, Fans und die öffentliche Hand. Die zentrale Frage bleibt, ob die Kosten für Sicherheit bei Großveranstaltungen gerecht verteilt werden können – oder ob das Beispiel Bremen Schule macht und die finanzielle Belastung der Clubs langfristig den Wettbewerb im Profifußball beeinflusst.
Die Diskussionen werden weitergehen. Eins ist sicher: Der Ball liegt jetzt nicht mehr nur auf dem Spielfeld, sondern auch bei der Politik und den Verantwortlichen in den Clubs.