„Ich weiß nicht, was wir verbrochen haben“, fragte sich FCI-Coach Tomas Oral nach dem Endspurt-Krimi. „So bestraft zu werden, ist Wahnsinn!“ Mit drei irren Freistößen hatte der FC Ingolstadt 04 das Relegationsduell im Audi Sportpark innerhalb von 13 Minuten gedreht. Der Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga war zum Greifen nahe. Doch der Fußballgott schien etwas dagegen zu haben. Am Ende war es nämlich der 1. FC Nürnberg, der trotz 1:3-Pleite als Gewinner vom Platz ging.
Gaus macht Nürnbergs Ausgangsposition zunichte
Lange schien es so, als könne der Club seinen 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel halten. Mit Stefan Kutschkes spektakulärem Führungstreffer (53.) spielten sich die Ingolstädter aber frei. Der FCI-Kapitän war nach seiner Oberschenkelverletzung ins Team zurückgekehrt. Den Schlüssel zum Erfolg hatte allerdings Kollege Marcel Gaus. Nach seiner erfolgreichen Aktion zum 1:0 eröffnete der 30-Jährige auch die folgenden Freistoßtreffer. Tobias Schröck (62.) und Robin Krauße (66.) nahmen seine Pässe dankbar an und netzten mit zwei Vorzeigeköpfern ein.
Jubel bei den Oberbayern. Entsetzen bei den Mittelfranken, die mit dem 3:0 der Schanzer ihre Felle davonschwimmen sahen. „Der Club is a Depp“ war bereits in den sozialen Medien zu lesen. Der Spruch, den Klaus Schamberger (ehemaliger Chefredakteur der Abendzeitung Nürnberg) ins Leben rief, könnte sich erneut bewahrheiten. Sollten drei Standardsituationen den Rot-Schwarzen das Genick brechen? Dass die Gäste nun handeln mussten, war ihnen bewusst. Aufgrund der Auswärtstor-Regelegung würde dem Club sogar ein Treffer reichen. Allerdings gaben die Schanzer ihre erspielte Position nicht so schnell wieder auf. Die Abwehrschlacht hatte begonnen und FCN-Coach Michael Wiesinger reagierte:
Schockmoment folgen Emotionen
Enrico Valentini, Adam Zrelak und Hanno Behrens hatten ihre Dienste getan. Oliver Sorg, Michael Frey und Nikola Dovedan übernahmen für den Rest des Duells und zeigten auch gleich, worauf es ankommt. Am Spielstand änderte sich nach 90 Minuten nichts. Aufgrund der Tore und Unterbrechungen gab es aber noch fünf Minuten obendrauf. Allerdings sollten auch die nicht genügen: Marcel Gaus hatte es an der Außenlinie erwischt, weshalb Schiedsrichter Christian Dingert weiterspielen ließ. Die Uhr tickte und unter den Gastgebern machte sich Unmut breit. Schließlich gefährdete jede zusätzliche Sekunde ihren gegenwärtigen Aufstieg. Die Partie lief weiter und Nürnberg griff erneut an: Patrick Erras platzierte das runde Leder im Strafraum, Fabian Schleusener schnappte sich den Ball und schloss ab (90.+6.). Die Emotionen kochten nun hoch – auf beiden Seiten. War der Treffer wirklich sauber? Während des Angriffs war im Sechzehner Ingolstadts Nico Antonitsch zu Fall gekommen. Der Unparteiische machte sich auf zum Videocheck. Kurz darauf hatten alle Beteiligten Gewissheit: Der Treffer zählt. Mit seinem ersten Saisontor rettete Schleusener den Club vor dem Absturz in Liga drei. Der Gegner protestierte:
Fußball kann so grausam sein
„Hey Schiri! Hey Schiri!“, war von der Ingolstädter Bank zu hören. Tomas Oral und seine Truppe waren sichtlich aufgebracht und hatten absolut kein Verständnis für Dingerts Entscheidung. Erst vor einer Woche hatten die Würzburger Kickers mit einem späten Elfmeter gegen Halle Ingolstadts direkten Aufstieg verhindert. Diesen Samstag wurde den Schanzern erneut ein Tor in der Nachspielzeit zum Verhängnis. Bitter! Kapitän Kutschke ließ seiner Wut freien Lauf. Tomas Oral konnte den Spielausgang kaum fassen: „Das ist einfach nur pervers! Letztes Jahr war schon brutal“, erinnert sich der Coach, der mit Ingolstadt nach einer misslungenen Relegation gegen Wehen Wiesbaden in die 3. Liga abgestiegen war. Dass ihm nun der ersehnte Wiederaufstieg verwehrt wurde, „setzt dem Ganzen die Krone auf.“
Frust, Zorn und pure Enttäuschung zeigten die Schanzer. Beim Club flossen die Tränen. Freudentränen oder Tränen der Erleichterung? „Die Gefühlslage kann ich nicht beschreiben, weil wir so etwas noch nicht erlebt haben“, war Michael Wiesinger gerührt. Dass die vergangene Spielzeit alles andere als gut war, weiß der Interimscoach. Das Gleiche gilt für das Relegationsrückspiel. Trotz des glücklichen Ausgangs sei die Stimmung daher eher „ernüchternd“. „Ich hab ja auch hier in Ingolstadt gearbeitet. Daher tut’s mir natürlich auch ein bisschen leid für die Jungs“, bedauerte er. „Aber es ist halt ein gnadenloser Fight in dem Business.“
Das Spiel im Überblick:
Tore: 1:0 Kutschke (53.), 2:0 Schröck (62.), 3:0 Krauße (66.), 3:1 Schleusener (90.+6.)
Gelbe Karten:
Nürnberg: Handwerker (25.), Behrens (64.), Hack (90.+1.), Nürnberger (90.+6.)
Ingolstadt: Bilbija (56.), Krauße (57.), Oral (90.+8.), Kutschke (90.+8.)
Schiedsrichter: Christian Dingert
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