Bei den 86. Nationalen Deutschen Meisterschaften der Damen und Herren haben sieben von acht Favoriten das Halbfinale erreicht. Nur der Weltranglisten-19. Ruwen Filus strauchelte gegen Youngster Kilian Ort. Allerdings wackelte auch der Weltranglisten-Erste Timo Boll vollkommen überraschend gegen Nachwuchsspieler Dang Qiu, dem zum Sieg nur drei Punkte fehlten.
Bärenstarker Dang Qiu zwingt Boll in den Entscheidungssatz
Damit hatten wohl die Wenigstens gerechnet. Die Nummer 302 der Weltrangliste Dan Qiu (ASV Grünwettersbach) zeigte im Viertelfinale gegen den elfmaligen Meister Timo Boll (Borussia Düsseldorf) eine herausragende Leistung und unterlag dem Rekordsieger erst im entscheidenden sieben Satz mit 9:11 Punkten – und war bei 8:9 nur drei Punktgewinne von der Sensation entfernt. „Ich bin ohne Druck ins Spiel gegangen und habe gut gespielt – aber Timo wird nie nervös und spielt immer konstant weiter“, resümierte Qiu. Trotz der tollen Leistung war der 21-jährige Junioren-EM-Zweite von 2017 enttäuscht. „Natürlich ist 9:11 im Entscheidungssatz gegen die Nummer 1 der Welt nicht schlecht. Aber ich hatte eine Chance und habe sie nicht genutzt.“
In der Runde der besten Acht waren bei den Herren ausschließlich Nationalkaderathleten vertreten. Boll steht morgen im Halbfinale dem Doppel-Europameister Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT) gegenüber, der Benedikt Duda (TTC Schwalbe Bergneustadt) bei seinem 4:0-Sieg jederzeit dominierte. Für die Überraschung des Tages sorgte Kilian Ort (TSV Bad Königshofen). Im Vorjahr im Viertelfinale fehlten ihm gegen Weltklasse-Abwehrspieler Ruwen Filus (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell) beim Stand von 3:2-Sätzen und einem 9:5-Vorsprung nur zwei Punkte zum Sieg – heute drehte er den Spieß um. Nach einem 1:3-Satzrückstand wehrte Ort im fünften Satz (15:13) mehrere Matchbälle ab und besiegte den Vorjahresfinalisten mit 11:7 im Entscheidungssatz. „Das Spiel von Bamberg 2017 kam mir im siebten Satz zwar wieder in den Kopf. Aber heute hatte ich das nötige Glück auf meiner Seite“, freut sich der 21 Jahre alte Franke über den bisher größten Erfolg seiner jungen Laufbahn. Er trifft morgen auf den 15 Jahre älteren Routinier Bastian Steger (SV Werder Bremen). Der Deutsche Meister von 2011 und 2012, aktuell in der Welt auf 21 notiert, hielt in der Runde der besten Acht den Weltranglisten-42. Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach) in fünf Sätzen auf Distanz.
Yuan Wan erreicht erstmals Halbfinale / Winter und Han souverän
Wie Ort hat auch Yuan Wan (TTG Bingen/Münster-Sarmsheim) zum ersten Mal in ihrer Karriere das Halbfinale der Deutschen Meisterschaften erreicht. Gegen die routinierte Ex-Nationalspielerin Jessica Göbel (TV Busenbach) behielt die Finalistin der Juniorinnen-EM 2017 nach dem 2:2-Satzausgleich ihr Konzept bei und setzte sich am Ende mit 4:2 verdient durch: „Ich habe mich gut an die Taktik gehalten und nach dem Satzausgleich die Nerven behalten“, sagt die 20-Jährige. Morgen trifft die Wan auf die topgesetzte Han Ying (KTS Zamek Tarnobrzeg), die auf ihrem Weg ins Halbfinale nur einen einzigen Satz verlor – interessanterweise in Runde eins gegen Yuan Wans drei Jahre jüngere Schwester Qian. Zwar ist die Weltklasseabwehrspielerin Han Ying gegen ihre Nationalmannschaftskollegin, mit der sie zusammen im September die Silbermedaille bei den Mannschafts-Europameisterschaften in Luxemburg gewann, gegen die Außenseiterin klar favorisiert, aber Yuan Wan hat sich einiges vorgenommen: „Natürlich wird es schwer gegen Ying. Aber ich will Erfahrungen sammeln und werde mein Bestes geben.“
Wie Han Ying will am Sonntag aber auch die Weltranglisten-59. Sabine Winter (SV DJK Kolbermoor) nach ihrem ersten nationalen Einzeltitel greifen. Die Doppel-Europameisterin Winter marschierte heute durch die ersten Runden und quittierte auf dem Weg in die Runde der besten Acht nur einen Satz. Winter: „Ich habe mich von Runde zu Runde steigern können und hoffe, dass es morgen noch ein wenig besser wird.“ Im Halbfinale trifft die Bayerin auf die Ex-Berlinerin Tanja Krämer (TV Busenbach), die sich an ihrem 38. Geburtstag mit dem Halbfinaleinzug selbst das schönste Geschenk bereitete.
Nicht nur prominente Namen im Doppel-Halbfinale
Im Halbfinale der Doppel-Wettbewerbe stehen sich am Sonntag die Routiniers Jessica Göbel/Tanja Krämer und das Nachwuchsdoppel Luisa Säger/Jennie Wolf (beide TTC Weinheim) gegenüber. Im zweiten Vorschlussrunden treffen die Alena Lemmer/ Yuan Wan auf die Last-Minute-Kombination Sabine Winter und Huong Do Thi (Leutzscher Füchse). Letztere war erst am Donnerstag ins Feld der Deutschen Meisterschaften gerückt und spielt an Stelle der erkrankten Mitfavoritin Nina Mittelham (Tus Bad Dribrug) an der Seite von Winter. „Unser Start war etwas holprig, im Viertelfinale war es schon besser. Ich habe mich gefreut, dass Huong die Nachrückerin ist. Wir kennen uns schon aus Jugendzeiten und hatten damals bei Turnieren und Lehrgängen schon des Öfteren Spaß“, sagte Sabine Winter.
Bei den Herren sorgten Erik Bottroff (Borussia Dortmund) und Lennart Wehking (1. FC Köln) für eine Überraschung. In fünf Sätzen besiegten sie das an Position drei gesetzte Doppel Kilian und Dennis Klein (1. FC Saarbrücken TT). Lennart Wehking stand bereits 2012 im Doppel-Finale. Eine Wiederholung könnte dieses Jahr aber schwierig werden, denn im Halbfinale warte die Titelverteidiger Doppel Ruwen Filus und Ricardo Walther. Im zweiten Halbfinale stehen Julian Mohr und Jens Schabacker (beide NSU Neckarsulm) als Außenseiter Dang Qiu und Benedikt Duda gegenüber.
Viertelfinal-Ergebnisse:
Damen Einzel
Han Ying – Alena Lemmer 4:0 (6,8,12,9)
Jessica Göbel – Yuan Wan 2:4 (-5,-9,8,10,-6,-5)
Tanja Krämer – Luisa Säger 4:2 (8,7,-15,-7,6,9)
Jennie Wolf – Sabine Winter 1:4 (-5,10,-2,-8,-7)
Herren-Einzel
Timo Boll – Dang Qiu 4:3 (6,7,-9,-14,8,-8,9)
Benedikt Duda – Patrick Franziska 0:4 (-9,-3,-9,-3)
Bastian Steger – Ricardo Walther 4:1 (10,10,-8,10,6)
Kilian Ort – Ruwen Filus 4:3 (-10,-8,6,-10,13,7,7)
Damen-Doppel
Jessica Göbel/Tanja Krämer – Anastasia Bondareva/Sophia Klee 3:2 (10,-5,7,-8,6)
Franziska Schreiner/Laura Tiefenbrunner – Luisa Säger/Jennie Wolf 1:3 (9,-5,-4,-5)
Huong Do Thi/Sabine Winter – Anne Bundesmann/Janina Kämmerer 3:1 (10,10,-3,5)
Anna Helbig/Katharina Michajlova – Alena Lemmer/Yuan Wan 1:3 (-6,-5,8,-4)
Herren-Doppel
Ruwen Filus/Ricardo Walther – Nico Christ/Alexander Flemming 3:1 (6,-9,8,2)
Erik Bottroff/Lennart Wehking – Dennis Klein/Kilian Ort 3:2 (8,-9,7,-8,7)
Julian Mohr/Jens Schabacker – Tom Eise/Kay Stumper 3:0 (9,13,6)
Tobias Hippler/Nils Hohmeier – Benedikt Duda/Dang Qiu 1:3 (-6,11,-7,-7)
Quelle: Deutscher Tischtennis Bund (DTTB)