Arm in Arm standen die deutschen Handballer und Bundestrainer Christian Prokop am Spielfeldrand und blickten Richtung Siebenmeterlinie – dann brach der große Jubel los: Ein nervenstarker Tobias Reichmann sicherte dem Titelverteidiger bei der EM in Kroatien in der Schlusssekunde ein 25:25 (10:15) gegen Slowenien und den Einzug in die Hauptrunde – vorausgegangen war ein echter Krimi. Erst nach einer minutenlangen Diskussion und der Nutzung des Videobeweises entschieden die Schiedsrichter aus Litauen auf Siebenmeter.
„Die Entscheidung war eine klare Sache, drei Männer standen im Anwurfkreis. Es ist definitiv ein gewonnener Punkt, gerade wenn man die erste Halbzeit sieht. Wir haben uns stark zurückgekämpft“, sagte Reichmann, der am Ende cool blieb: „Eigentlich wollte ich in die andere Ecke werfen.“
Nachdem der Slowene Blaz Janc sieben Sekunden vor Schluss zum 25:24 für den WM-Dritten getroffen hatte, schien schon alles verloren. Beim Anwurf hielten die slowenischen Spieler aber nicht genügend Abstand. Die Schiedsrichter schauten sich die Szene minutenlang auf dem Bildschirm an, die Spieler standen mit bangem Blick auf dem Spielfeld. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte Rückraumspieler Julius Kühn.
Durch den glücklichen Punkt belohnte sich das deutsche Team für eine imposante Aufholjagd, durch die das erste Etappenziel erreicht wurde. Bester Werfer der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) war Kapitän Uwe Gensheimer mit sieben Toren. Für die Mannschaft von Prokop geht es am Mittwoch (18.15 Uhr/ARD) gegen Mazedonien um den Gruppensieg und eine gute Ausgangsposition für die zweite Turnierphase.
„Wir sind mit zwei blauen Augen davongekommen“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Prokop atmete ebenfalls tief durch. „Ich bin froh, dass es den Videobeweis gibt und glücklich, dass Tobias Reichmann die Nerven behalten hat“, sagte der Coach, der vor dem Spiel eine Leistung „am oberen Level“ gefordert hatte.
Davon waren seine Spieler in der ersten Halbzeit meilenweit entfernt. Das deutsche Torhüter-Duo Andreas Wolff und Silvio Heinevetter bekam kaum einen Ball zu fassen, der Mittelblock in der Abwehr offenbarte große Schwächen und im Angriff mangelte es an Durchsetzungskraft.
Das erste Feldtor gelang dem Olympia-Dritten durch Philipp Weber zum 3:5 (12.). Die Bad Boys ließen sich von den aggressiven Slowenen den Schneid abkaufen. „Wir sind zu lässig in den Zweikämpfen“, monierte Prokop in seiner ersten Auszeit beim 3:6 (14.).
In der Deckung bekam das DHB-Team den Kieler Spielmacher Miha Zarabec überhaupt nicht in den Griff. Prokop wechselte die Zusammensetzung des Mittelblocks in der ersten Halbzeit gleich viermal. Der nicht berücksichtige Abwehrchef Finn Lemke wurde in dieser Phase schmerzlich vermisst.
Angetrieben von ihrem starken Torhüter Urban Lesjak zeigten die Slowenen in den ersten 30 Minuten den größeren Willen und stellten die deutsche Offensive mit ihrer starken 6:0-Abwehrformation immer wieder vor große Probleme. „Alle Kleinigkeiten entscheiden die Slowenen für sich“, kritisierte Prokop beim 7:12-Rückstand (23.).
Dem deutschen Spiel mangelte es im Gegensatz zum leichten Auftaktsieg gegen Montenegro (32:19) an Leichtigkeit und Aggressivität. „Wir müssen den Kopf oben behalten und Tor für Tor aufholen“, forderte Prokop zur Pause.
Das Signal zur Aufholjagd gab Rechtsaußen Patrick Groetzki mit zwei schnellen Treffern zum 12:15 (34.). Die DHB-Auswahl zeigte nun eine andere Körpersprache, erkämpfte sich in der Abwehr die Bälle und verkürzte durch Gensheimer auf 15:17 (39.). Das deutsche Team zeigte nun mehr Einsatz und griff in der Abwehr beherzter zu. Die Slowenen spielten zudem häufig in Unterzahl.
Gensheimer gelang in der 47. Minute mit seinem Tor zum 19:19 der erste Ausgleich seit dem 1:1 (7.), Kreisläufer Hendrik Pekeler sorgte beim 21:20 (51.) für die erste Führung. Doch die Slowenen blieben dran. Das DHB-Team glich nach einem 21:23 (57.) durch Groetzki zum 23:23 (59.) erneut aus. Es entwickelten sich packende Schlusssekunden mit einem glücklichen Ende – dank Reichmann.
Quelle: DHB
Die „Bad Boys live gegen Serbien:
4. April Arena Leipzig / 7. April Westfalenhalle Dortmund